Archiv 13. Dezember 2020

Sanko-ji e.V. newsletter Dezember

Liebe Freundinnen und Freunde Sanko-jis
 
Hoffentlich gehts euch gut. Die Dinge laufen trotz der sehr vielen Arbeiten hier in Sanko-ji gut.
 
Das Rohatsu , das 8 Tage Sesshin, indem wir  14 Stunden am Tag der Erleuchtung Buddhas gedachten, machten wir zu zweit physisch hier im Zendo.  
 
In der Nacht des Rohatsubeginns kam der Winter in die Berge und hüllte uns in Frost und Schnee und Schweigen.  
 
Da passte Dogen Vers: “Schnee bedeckt das Wintergras, der weisse Reiher versteckt sich darin.” 
 
Perfekte Bedingungen fürs Rohatsu, da ich auch in diesem Jahr wieder genug Holz für die Öfen bereit stellen konnte.
 
Philipp, der sein erstes Rohatsu absolvierte, meinte hinterher: “Das war eine sehr kräftige Zeit hier!” Eine sehr schöne Formulierung. Mit seinem Anfängergeist hat er auch mir das Rohatsu erleichtert, denn dieses Jahr verblendete mir Samsara oft (sehr anstrengende Wochen vorher gehabt)  eben diesen so essentiellen Anfängergeist ohne den ein Rohatsu kaum möglich ist. 
 
In unserem kurzen Austausch drückte er auf ähnliche Weise sehr gut  aus, was auch ich im Rohatsu erfahre. Und was das Rohatsu so wertvoll macht und in einem kürzerem Sesshin wenig möglich ist. Obwohl man aufgrund der körperlichen und psychischen Phänomene sich immer wieder einmal sehr unwohl fühlt, ist gleichzeitig ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit und “Wohl- sein” da, ein “Zuhause sein” dürfen. Das möchte man ewig spüren. Ein Mysterium, das man nicht beschreiben kann. Erst am siebten Tag beginnt wieder die Energie und der tiefe Wunsch in einem zu wachsen, wieder in seinen Alltag zurückzukehren.
Auch der Körper hat sich wieder aufgerichtet und fühlt sich leicht und mobil an – zuminstens im Vergleich zu vorher:-)
 
Danke Dharmavorfahren, die ihr uns so viel Positives übermittelt habt!
 
Unerfreulich dagegen, dass aufgrund der verschärften Coronaangstmassnahmen, die Naikanwocheüber den Jahreswechsel ziemlich sicher nicht stattfinden kann. Albin klärt es noch nächste Woche mit dem Ordnungsamt ab. Das ist um so bedauerlicher, da wir zwei Teilnehmern nun schon zum zweiten Mal absagen müssten. Schade wissen die Behörden nichts über die Praxis des Naikan und wie wertvoll es wäre, es zu praktizieren, in diesen merkwürdigen Zeiten.
 
Letzthin stiess ich im neuen Buch über Kodo Sawaki – Discovering the true self auf folgenden Text.  Kosho Uchiyama Roshi brachte die Essenz der Lehre seines Meisters Kodo Sawaki in sieben Leitsätzen unter. Ohne um diese Leitsätze vorher zu wissen, finde ich, haben wir in Sanko-ji schon vieles davon umsetzen können und ich finde deswegen, sie passen sehr gut in unser Leitbild!:
 
  •  Gewinnen ist Illusion, Verlieren ist Erleuchtung
  • Versuche nicht irgendwelche Vorteile zu erreichen, sei nicht gierig und bedaure es nicht, zu verlieren. 
 
  • Etabliere nie eine Organisation. Dinge, die von einer Institution erreicht werden, werden aufgrund dieser Institution zusammenbrechen. Der Aufstieg und Fall von Errungenschaften ist nichts anderes als die Transmigration in Samsara. Dies war Sawaki Roshis fundamentale Haltung. 
 
  • Unterrichte Einzelpersonen nacheinander. Anstatt Menschen allgemein innerhalb eines Systems zu erziehen, müssen wir jeden einzeln ansprechen, da jeder einzigartig ist. 
 
  • Bittet nicht um Spenden. Die Leute haben die Idee, dass sie gebeten werden, zu spenden, wenn sie an einem Tempel beteiligt sind. Dies hat den Buddha Dharma ernsthaft verletzt. Wir bitten nie um Spenden. Auf diese Weise können Menschen kommen, ohne sich um Geld sorgen zu müssen.
 
  • Sei nicht flatterhaft. Handle nicht getrieben von deinen selbst zentrierten Gedanken.
 
  • Wenn du nachlässig bist, wirst du berühmt und erreichst eine hohe Position. bemühe dich, nicht in der Welt aufzusteigen. Besonders nach dem vierzigsten Lebensjahr werden Ruhm und Profit verlockend sein.
 
Passt auf euch auf, bleibt gesund, bleibt “tres Zen”- also lasst euch nicht von der Angst anstecken, nutzt die ruhige Zeit und gute Praxis.
 
Ganz herzlich und tiefes Gassho
 
Gyoriki

Sanko-ji e.V. November newsletter

Liebe Freundinnen und Freunde Sanko-ji’s!


Die Praxis unter COVID 19 Auflagen geht hier unablässig weiter, das ist die gute Nachricht.

In Sanko-ji findet sowohl die tägliche Praxis als auch die Naikanwochen und Sesshins/Rohatsu (s. Veranstaltungen) in angepasster Form (gemäss der aktuellen Corona-Verordnung BW vom 2.11.2020) weiter statt. Dazu wurde von mir das Hygienekonzept erstellt und kann bei Bedarf von jedermann eingesehen werden.

Wir sehen es gerade in diesen Zeiten als wichtig an, gemeinsam und physisch anwesend den universellen Geist verkörpert in Zazen zu praktizieren und danach zu leben. Ich glaube viele Menschen brauchen diese religiöse Praxis, das Ritual, die Zeremonie, das Beten, was auch immer und die religiösen Gemeinschaften sollten sich mehr dafür einsetzen, dass dies real und physisch möglich sein darf, anstatt es sich einfach machen und auf virtuelle Angebote setzen. Ich befürchte, dass sich so Religion noch überflüssiger macht.

Also Praxis jetzt bitte alleine zuhause oder hier in Sanko-ji praktiziere jetzt, es ist essentiell! Kodo Sawaki meint: Ich bin die am meisten verblendete Person auf der Welt, deshalb muss ich soviel Zazen praktizieren. Ich muss ihm widersprechen, ich bin verblendeter.-)

Dazu ein Video der Sotoshu, die erklärt, wie wir alleine richtig Zazen machen können.

https://youtu.be/n_vQVnlgJOI


Wie es zur Verblendung des Menschen und warum Praxis gerade jetzt so wichtig ist, was Meister Dogen und Sawaki dazu sagen sowie Reinold Messmer und der frz. Philosoph B. Morizot, u.a. dazusagen, das habe ich im folgendem kleinen Aufsatz, den ich euch ans Herz legen möchte, sehr verkürzt zusammengefasst. Mir ist bewusst, es gäbe sicherlich noch mehr Aspekte aufzuarbeiten:

Die westliche Zivilisation in der Krise (Kapitel 1) ….

…Wie das Elend begann?… oder Am Anfang waren ein Fake Mythos und ein grössenwahnsinniges Tabu.

Der Mensch hat sich seit jeher als Ausnahme in der Gemeinschaft der Lebewesen definiert und das andere als die Natur da draussen definiert. Nun ist das, so schreibt der frz. Philosoph B. Morizot, gar nicht möglich aus der Gemeinschaft der Biomasse auszutreten. So musste der Mensch der westlichen Zivilisation zu dem Trick greifen, einen sich selbst bestätigenden Mythos inklusive Tabu zu erfinden, der sich folgendermassen beschreiben lässt: Zwar dürfen wir Menschen uns von der in den Lebewesen enthaltenen Sonnenenergie ernähren, aber die anderen Lebewesen haben nicht das Recht, sich von der in uns enthaltenen Sonnenenergie zu ernähren.
Das dazugehörige Tabu besteht nun darin, alle Bedingungen zu verbieten und zu verdrängen, unter denen wir als Biomasse anderen zur Verfügung stehen könnten.
Dies hatte in den Jahrtausenden bis heute zur Folge, dass alle Lebewesen, die UNS und UNSEREN Nutztieren, – pflanzen schaden oder gar essen könnten, wie Raubtiere, Schädlinge, Bakterien, Pilze und Viren, etc., ausgerottet werden müssen.
Ganz anders übrigens in anderen Kulturen, wie zum Beispiel in Teilen Sibiriens. Hier gehen die alten Menschen, wenn sie den Tod fühlen in den Wald, und übergeben sich dort in einen anderen Zustand. Sie geben ihr Fleisch, ihre Biomasse zurück und treten zurück in den Kreislauf des Waldes ein. (Es gibt also Alternativen)

Soweit dieser kleine Exkurs: Obwohl der Mensch immer wieder betont wie wichtig sie ihm ist, ist die Natur nur willkommen, wenn sie so funktioniert, wie er sie sich vorstellt. Im besten Falle ein «nice to have». Viele flüchteten dieses Jahr vor der Pandemie in den Schwarzwald und verbreiteten an den bekannten Hot Spots Lärm, Hektik, etc. Aber die Natur bietet uns genau das Gegenteil: Entschleunigung, Stille,
Einsamkeit. Aber all das ertragen viele Leute nicht mehr – als Resultat eines anderen Problems: der heutigen Handy-Pandemie.

Er hat sich losgelöst von seinem Ursprung, kann er so letztlich auch weiterhin überleben?

Auf die Frage ob er im Zusammenhang mit dem Corona Virus und dem Klimawandel Angst bekäme antwortete Reinhold Messmer: Angst kommt bei mir in diesem Zusammenhang nicht vor, auf beides blicke ich ganz rational. Das Virus ist Teil der Natur, und wir empfinden es als schrecklich. In Wirklichkeit ist dieses Virus weder böse noch gut, es ist nur da und hat genetisch die Information, dass es sich verbreiten muss. Es ist so winzig klein, dass man es mit bloßem Auge nicht sehen kann, und es ist trotzdem in der Lage, die Welt in Schach zu halten – die Menschenwelt. Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht die Krone der Schöpfung sind. Wir Menschen sind nur geduldet auf der Erde, und wir sind eines der schwächsten Glieder, obwohl wir mit der Wissenschaft, der Technologie, der Medizin und der Pharmazie einen Status erreicht haben, der uns in den Glauben versetzt, unendlich zu sein. Als ob selbst der Tod aufzuhalten wäre – alles Humbug! Es wird uns nicht gelingen, uns über die Natur zu erheben.

…Oder Anton Tschechov, in Onkel Wanja (schon 1898 formuliert):

Menschen sind mit Klugheit und Talent gesegnet, um zu vermehren, was ihnen geschenkt wurde, aber statt etwas hervorzubringen, zerstören sie nur. Die Wälder werden immer weniger, die Flüsse trocknen aus, die Tiere sterben aus, das Klima verschlechtert sich und mit jedem Tag wird die Erde hässlicher und ärmer.

Wie also weiter? Nun käme die Religion ins Spiel… (Kapitel 2)

Die Alternative wäre beispielsweise zurück zur Wurzel, zurück zum Ursprung, nachhause ins Universum kommen, dort wo es keinen Unterschied gibt zwischen Leben und Tod, krank und gesund, Glück und Unglück. Die tiefste Methode des «Coming home» ist Zazen, Buddha sein, eins werden mit allen Lebewesen – ja, tatsächlich auch Viren. Aus dieser Erfahrung heraus lebend könnte der Mensch den Wendepunkt schaffen.

Als Bodhisattva geloben wir alle Lebewesen zu retten, alle Lebewesen zu respektieren und der Begriff Lebewesen meint hier nicht nur Menschen und vielleicht noch Haustiere, sondern wirklich Alle Lebewesen und das schliesst nach Dogen Steine, Wasser, alle Elemente mit ein und nicht nur Menschen und das was sie für “wertvoll” halten. Diese Art des Lebens ist für uns heutige Menschen fast unvorstellbar radikal, doch als Soto-Zen Mönch und quasi Anwalt für Dogens Lehre traue ich mich auf den ersten Blick “Ungeheuerliches” zu schreiben.

Obwohl wir denken, dass wir ein Individuum sind, wurde uns unser Leben von der Mutter Natur geschenkt und dort hin kehren wir auch wieder zurück. Wir sind nicht allein! “Wenn ich Zazen praktiziere, umarme ich das Universum” sagt Kodo Sawaki Roshi.

Wenn ich mit dieser Erfahrung nach dem morgendlichen Zazen oder nach dem Sesshin hinausgehe in die Welt und handle, dann ist meine personale Handlung das Handeln des Universums. Du allein handle aus dem Universum heraus und das ist was Dogen mit tiefer Zenpraxis meint. Aus der Universums Erfahrung heraus, als Buddha oder als Stellvertreter des Universums handeln und nicht als Individuum, dass sich durch den sogenannten “Fortschritt” als “losgelöst” und über Universum oder Buddha stehend sieht und handelt, wie es ihm und seiner Spezies gefällt und guttut.

Um mit Kodo Sawaki noch deutlicher zu werden: Wenn du Zazen praktizierst, wirst du schon bald nicht mehr praktizieren. Das grosse Unbegrenzte wird übernehmen und praktizieren…. Im Zazen eliminierst du dich selbst und es wird durch unsere Mutternatur ersetzt.

Ich bin überzeugt, wenn ein paar mehr Menschen, aus dieser Erfahrung auf dieser Welt handeln würden, würden sich die Lebensweisen der Wesen wieder mehr durchdringen.
Doch das Problem der Religion en ist, dass sie den abgekoppelten Menschen gar nicht mehr erreichen. Ist die Abkopplung und die damit verbundene Angst schon zu zu dominierend im Menschen geworden?Alle Religionen beklagen, dass es zu wenig ernsthaft Praktizierende gibt. Ist die Hürde zu gross? Obwohl viele Menschen denken die Zazenpraxis sei schwierig, ist es doch einfach nur die Art wie wir unser tägliches Leben leben. Dogen nennt das ” den praktizierenden Buddha”. Wir machen Zazen zu unserer Grundlage und wir praktizieren unser ganzes Leben mit diesem Körper – das ist der Buddha Weg.

Auch wenn du nicht darüber nachgedacht hast, Zazen ist Buddha zu sein ohne direkte Beziehung zu unserem Denken und Gefühlen.

Zazen zu tun ist der Beweis, dass dir das Leben von der Mutter Natur gegeben wurde. Zazen ist die Fortführung des Universums. In anderen Worten das Universum wird zu dir. Eine Person, die Zazen macht und die ganze Welt macht Zazen. Alle Lebewesen zusammen mit uns, wie schön, oder?! Diese unsere Praxis allein bringt in diese menschliche Welt einen aussergewöhnlichen religiösen Antrieb.

“Was wirst du bekommen, wenn du Zazen praktizierst? Du wirst alles von der Erde und dem Himmel bekommen. Trump, Biden, Putin, Merkel,…alle sind in meinem Zazen.» (Abgewandelt nach Kodo Sawaki)

«Mach das Universum zu deinem Anliegen, mach die Ewigkeit zu deinem Anliegen. Dann kann dich nichts mehr stören. Einer der mit Entschlossenheit sitzt, hat den nicht bewegbaren Buddhageist.» (Kodo Sawaki)

Auch wenn ich trotz Pandemie mehr gemeinsame physische Zazen-Praxis fordere und für den besten Weg halte, gleich noch die restlichen Probleme der Welt zu lösen, bin ich dennoch nicht einer, der die Pandemie verharmlost. Diese Pandemie ist sehr wohl ein Problem. Ich bin bereit, alle Regeln einzuhalten. Mir ist klar, dass wir das nur gemeinsam werden lösen können. Aber im Herzen akzeptiere ich nur die Gesetze des Universums und glaube, dass wir die Probleme nur gemeinsam mit dem Universum lösen können, nicht in dem wir es bekämpfen und zerstören.

Hoffentlich bis bald mal am Sesshin zusammen Buddha spielen!

Gassho und herzlichst
Gyoriki